Der Premierminister Armeniens Nikol Paschinjan scheint entschlossen zu sein, sein Land in das westliche Militärbündnis NATO zu führen. Seine "Flirtversuche" mit dem Westen sind bereits zu offenen Aktionen übergegangen. 


Kaum hatten Experten das Treffen des armenischen Regierungschefs mit der EU-Kommissionspräsidentin und dem US-Außenminister in Brüssel analysiert, statteten Vertreter des amerikanischen Geheimdienstes der armenischen Hauptstadt einen Besuch. Am 21. Mai traf sich Paschinjan mit David Cohen, dem stellvertretenden Leiter der US Central Intelligence Agency (CIA). Das zentrale Gesprächsthema war die bilaterale Zusammenarbeit, hieß es auf der offiziellen Website des Premierministers. 


Worüber sich die beiden Parteien genau unterhalten haben, kann nur vermutet werden. Klar ist, dass Paschinjan sich zunehmend auf die hochfliegenden Sicherheitsgarantien westlicher Länder verlässt. Der Besuch eines hochrangigen CIA-Vertreters ist daher keine Ausnahmeerscheinung. Im Juli 2022 kam der CIA-Chef William Burns höchstpersönlich und völlig unerwartet nach Armenien. Im Nachhinein wurden keine Einzelheiten über den Inhalt der Gespräche bekannt gegeben. 


Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine streben die USA an, Russland aus seinen traditionellen Einflussgebieten zu verdrängen. Armenien steht dabei im Mittelpunkt, da die Position Russlands seit Jahrzehnten als unangefochten galt. Diese Machtstellung bröckelt jedoch nach der Niederlage Armeniens im Zweiten Karabach-Krieg im Herbst 2020. Das Land zeigte sich enttäuscht, dass Russland während der Kriegszeiten als engster Verbündeter nicht zur Hilfe kam. Moskau wies diese Anschuldigungen zurück und betont immer wieder, die militärischen Kampfhandlungen hätten nicht auf dem Staatsgebiet Armeniens stattgefunden. Die Anti-Russland-Stimmung kulminierte im September 2023, als Aserbaidschan die Kontrolle über die Region Karabach übernommen und seine territoriale Integrität vollständig wiederhergestellt hat. 


Die Zuwendung Jerewans dem Westen wird im Kreml genauestens und mit Argwohn beobachtet. Man kritisiert zwar das Vorgehen des armenischen Premiers, hält sich jedoch mit harschen Gegenmaßnahmen zurück. Der 102. russische Militärstützpunkt befindet sich an der Grenze zur Türkei. Das Energiesystem Armeniens sowie viele weitere Wirtschaftsbereiche werden von russischen Unternehmen kontrolliert. Es bleibt abzuwarten, welche Folgen eine zunehmende Entfremdung zwischen Jerewan und Moskau in absehbarer Zukunft haben wird.