Die letzten Tage des vergangenen Jahres sind geprägt von hoher diplomatischer Spannung zwischen Aserbaidschan und Frankreich. Am 26. Dezember wies Baku zwei französische Botschaftsmitarbeiter aus dem Land aus, die beschuldigt wurden, in geheime Aktivitäten zu Gunsten Frankreichs und seinem Verbündeten Armenien verwickelt zu sein. Die Botschafterin Anne Bouillon bekam eine offizielle Protestnote überreicht. Das Außenministerium in Baku soll der französischen Seite konkrete Beweise vorgelegt haben. Am nächsten Tag holte Paris zum Gegenschlag aus und erklärte seinerseits als Reaktion zwei Beamten der aserbaidschanischen Botschaft zur „persona non grata“. Die Vorwürfe von Baku konnte das französische Außenministerium jedoch nicht widerlegen, was den Verdacht der Verstrickung seiner Diplomaten in Spionageaktivitäten gegen Aserbaidschan nur noch erhärtet.


Die destruktive und auffallend einseitige Positionierung Frankreichs nach dem Sieg Aserbaidschans im Herbstkrieg 2020 gegen Armenien kann nicht mehr ignoriert werden. Das Land, das seit fast 30 Jahren als einer der drei Ko-Vorsitzenden (neben Russland und den USA) der sogenannten „Minsker-Gruppe“ der OSZE die angebliche Vermittlerrolle im armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um das völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende Gebiet Bergkarabach hatte, lieferte mit seiner tendenziösen Haltung und uneingeschränkten Rückendeckung für Armenien im Grunde genommen die Antwort auf die Frage, weshalb dieser Konflikt über zwei Jahrzehnte nicht gelöst werden konnte. Die Entwicklungen und Beobachtungen der letzten drei Jahre legen nahe, dass die Minsker-Gruppe 1992 mit dem eigentlichen Ziel gegründet wurde, die Besetzung der rund 20 Prozent aserbaidschanischer Territorien zu „zementieren“ und den Konflikt auf unbestimmte Zeit „einzufrieren“. Frankreich, angefeuert durch den Einfluss der mächtigen und national-chauvinistisch gesinnten armenischen Diaspora im Land, spielte dabei eine entscheidende Rolle bei den 28 Jahre lang währenden sinnlosen Gesprächen.


Die verheerende Niederlage Armenenies im 44-Tage Krieg hat das politische Establishment in Paris und die armenische Diaspora regelrecht „wachgerüttelt“. Bis heute kann und will sich die ehemalige Kolonialmacht Frankreich mit ihrer dunklen Vergangenheit mit dem Ausgang des Krieges und den neu etablierten geopolitischen Gegebenheiten im Südkaukasus nicht abfinden. Nach den militärisch-politischen Rückschlägen in Mali und Niger versucht Paris, sein beschädigtes internationales Image durch die Einflusssicherung im Südkaukasus und Zentralasien aufzupolieren. Die Ablenkung und somit Abschwächung Russlands durch den Krieg in der Ukraine bieten dafür günstige Rahmenbedingungen. In der Südkaukasus-Region kommt dabei dem kleinen Armenien die Rolle eines Vorpostens im Kampf gegen die Türkei und Aserbaidschan zu.


Beinahe bei jeder Gelegenheit machen Frankreichs umtriebige Präsident Emanuel Macron und die Außenministerin Catherine Colonna Aserbaidschan haltlose Vorwürfe wie „Kriegstreiberei“ oder „ethnische Säuberung gegen Armenier“, sprechen Baku gleichzeitig das Recht ab, seine territoriale Integrität wiederherzustellen. Die komplette Verwüstung der ehemals aserbaidschanisch besiedelten Gebiete in Karabach, die Auslöschung des religiös-kulturellen Erbes, die Vertreibung von über 800.000 Aserbaidschaner etc. hat Frankreich bis dato mit keinem einzigen Statement verurteilt. Zu den seit November 2020 laufenden Friedensverhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan hat Paris ebenfalls keinen positiven Beitrag geleistet. Im Gegenteil gießen die politischen Verantwortlichen mit jeder provokanten Anti-Aserbaidschan Äußerung nur noch Öl ins Feuer und erschweren die Friedensagenda. Dadurch beschädigt die Macron-Administration nicht zuletzt die Bemühungen des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel, der aktiv zwischen beiden Konfliktparteien vermittelt.


Erst vor Kurzem hat Frankreich begonnen, Kriegswaffen nach Armenien zu liefern. Die ersten 50 Bastion Militärfahrzeuge sind mittlerweile eingetroffen. Weitere vor allem Offensivwaffen sollen folgen. Damit gießt Paris Wasser auf die Mühlen der revanchistischen Kreise in Jerewan, die bereits mit neuen Kriegsgedanken liebäugeln. Bewusst stürzt Frankreich dadurch Armenien in die nächste Katastrophe.


Ein fester Bestandteil der französischen Antiaserbaidschan-Politik war es, wie es sich herausgestellt hat, die Spionage, die jedoch vor wenigen Tagen aufgedeckt wurde. Die Graben zwischen Paris und Baku werden durch diesen Fall noch tiefer, und der jüngste Skandal mit Diplomatenausweisungen dürfte sich verschärfen. Früher galt Russland als größter Stein des Anstoßes für einen langfristigen Frieden in der Region. Nach 2020 katapultierte sich das ehemalige „Mediatorland“ Frankreich mit seinem militaristisch-obliterierenden Rhetorik zum größten Sicherheitsrisiko. Eine neue und womögliche Eskalation zwischen Armenien und Aserbaidschan in absehbarer Zukunft wird mit Sicherheit die französische Unterschrift tragen.